Ein Kabarettist, der lächelt. Das geht schon mal gar nicht.
Am besten gleich weiter zappen, umblättern, löschen,
weg damit, ein für alle Mal.
Ach, Polt ! Wie konnte das nur passieren ?
Nur weil die Münchner einen Literaturkalender brauchen ?
Und damit´s nicht zu traurig wird, soll auch ein Kabarettist mit rein ?
Weil aber der Hildebrandt tot ist und der Jonas in einer
rätselhaften Krise, fällt ihnen der Polt ein.
Und der macht auch gleich mit.
Noch mal, Polt: Wie konnte das passieren ?
Dieses Hydraulik-Lächeln,
diese Schraubstock-Grimasse,
ein Lächeln wie im Fotostudio, hin zur Kamera, zur Öffentlichkeit,
in den VIP-Himmel hinein, hinauf, hinunter, wie auch immer.
So lächelt keiner, dem zum Lächeln zumute ist.
So lächelt einer, der nicht mehr weiter weiß,
der in der Wand hängt und gerettet werden möchte;
dem es peinlich ist, dass alle schauen,
während weiter unten schon der Hubschrauber startet.
Und jetzt mal ganz unalpin gefragt: Ist da
so eine quietschende Lebensfreude
nicht einfach der falsche Gesichtsausdruck ?
Denn unter Ihrem müden Bajazzolächeln, lieber Herr Polt,
kriecht wie ein altes Reptil die Traurigkeit hervor,
eine stille, tiefe, krokodilhafte Traurigkeit -
die gibt dem Lächeln das Angestrengte, das
Schiefe, das unter der feinen Schweißschicht Schimmernde.
Die Arme vor der Brust verschränkt, unter dem Sakko ein Pullover
und unter dem Pullover Hemd und Unterhemd,
die Lippen zusammengepresst, schräg drüber
die sich vor Anstrengung hervorwölbenden Bäckchen,
das sich an der Kinnspitze versammelnde Lächeln,
das eigentlich ein Weinen ist; die eckige, randlose
Brille, ein an der Nasenwurzel einsetzender,
den Mund umschließender Halbbogen: verräterische
Lebensfurchenmalerei, jäh
neben den Mundwinkeln abstürzend,
mit diesem Traurigkeitspfropfen vorne an der Kinnspitze -
dieses mit Verlaub in die Jahre Gekommene, Landrats-
und Sparkassendirektorenhafte:
Ist es nicht ein Sinnbild des Vertuschens, der Abwehr ?
Unterdrückten Schluchzens vielleicht ?
Denn, nicht wahr: Geweinte Tränen fließen ab,
ungeweinte sammeln sich im Gesicht. Das
gilt auch für Kabarettisten.
Merkwürdig nur:
Ich gehe leicht geduckt, mit gesenktem Blick
an dem Foto vorbei. Wie an einem Spiegel.
"Warnung vor Spiegeln" hieß das bei Günter Kunert,
den auch keiner mehr kennt.
Wie unangenehm das alles ist. Wie verräterisch.
Wie peinlich. Besten Dank also.