Buchmesse
Alles ist wie immer. Die berühmten Autoren, alle kleiner
und unscheinbarer als im Fernsehen, der Champagner am
Abend, wenn sich die Hallen leeren, die schönen Frauen,
die Häppchen, die Smoothies, die Witze,
die Titel, von denen man gehört haben muss -
alles wie gehabt.
Henryk M. Broder, der kleine Henryk M. Broder,
hockt bei seinem Verlag und hackt auf sein Notebook ein,
Prof. Sinn, von vielen auch Prof. Unsinn genannt,
erklärt den Euro, und Iris Radisch bei der ZEIT lächelt ihr angespanntes
Feuilleton-Lächeln, weil ihr der Aphoristiker Lichtenberg
nicht einfällt, wieder nicht einfällt. Reinhold
Messmer ist gerade auf einem Achttausender
und erklärt die Welt von oben.
Alles ist wie immer.
Alles ist offen, überall kommt man hin
und wird freundlich empfangen mit Waffeln, Tee
und Prospekten. Alles gut, denkt man, und täuscht
sich sehr. Denn die Kanäle, wie
man Verlagen Manuskripte schicken
kann, werden sie nicht von Jahr zu Jahr
verschlossener, verrammelter, undurchdringlicher ?
Dagegen ist Fort Knox eine Blumenwiese.
Überall in der Luft dieses Wispern und Flüstern:
Bitte, Autoren, macht, was Ihr wollt,
aber schickt uns keine Texte ! Schickt uns,
wenn es sein muss, Briefbomben, aber bitte, bitte
keine Texte ! Nicht diese wehleidigen Exposés,
nicht diese ausgelutschten Plots,
nicht diese Probekapitel, denen man
gleich ansieht, dass sie nichts sind,
nicht die Landkrimis aus dem Allgäu mit den Dödel-Kommissaren
und ihren Alkoholproblemen, nicht diesen ganzen
wertlosen Scheiß -
(und schickt ihn uns auch dann nicht, wenn Ihr Rückporto beilegt).
Schickt uns am besten überhaupt nichts !
Denn eigentlich, Ihr Lieben, geht Ihr uns total
auf den Sack mit Euren Scheißmanuskripten ! Eins
abgefuckter als das andere ! Am schlimmsten aber
das Gewese, das Ihr darum macht. Autor sein, eine Lesung machen,
einmal im Leben mit Namen im FAZ-Feuilleton – das ist offenbar
das Größte überhaupt ? Im Hanser-Katalog auftauchen,
bei den Neuheiten, auf Seite 97, mit Bild.
Geht Euch da einer ab, ja ?
Deshalb jetzt noch mal an alle: Unsere Messestände
sind closed shops. Die werden verteidigt mit Zähnen und Klauen,
da kommt keiner rein. Denn erstens: Unser Verleger schreibt selber.
Nicht gut, aber er ist eben der Verleger.
Und zweitens und drittens: Wir haben die Lizenz für
Knausgard und den Nachlass von Pessoa. Das reicht für Jahre.
Also, lasst Euch da mal nicht täuschen.
Und dann begreifst Du: Das ist keine
Messe hier, das ist ein Begräbnis.
Zu Grabe getragen wird der freie Zugang zur Literatur.
Bald werden sie alle verschwunden sein, die Verleger
mit den ernsten Verlegergesichtern, die Lektorinnen
in ihren dunkelblauen Messekostümen,
die ganze Feuilletonistenblase
mit ihrem Smalltalk auf höchstem Niveau.
Nur ein Wispern liegt dann noch in der Luft
und will und will nicht aufhören. Es klingt,
wie wenn einer eine Geschichte erzählen
will und keiner mag sie hören.