Neulich in meiner Mühle steht plötzlich Martin Schulz in der Tür. Zuletzt hatte ich ihn bei Anne Will gesehen. Da hatte er mit Frau Maaßen, einer Verkäuferin aus Essen-Altendorf, gesprochen, als wolle er demnächst bei ihr einziehen. Schulz, der Menschenfischer, der Kumpel für alle, unser Mann in Brüssel, der auch mal einen ungezogenen Griechen aus dem Plenarsaal wirft.
Dafür mag man ihn, so kennt man ihn und so steht er jetzt in der Tür. Die etwas zu rot aus dem Mehrtagebart herausleuchtenden Lippen, die Stimme, die alle für sich einnimmt, die alle hereinholende Gestik. Das Tanzbärenhafte in der Bewegung. Das Verführerhafte. Ihr sollt keine anderen Populisten neben mir haben. Vor allem aber die Authentizität: Wenn Schulz die Wahl zwischen einem Fußball und einem Kamerateam hätte, dann würde er sich für den Fußball entscheiden. Und das merkt ihm auch an. Dagegen ist die Kanzlerin eine von Zustimmung Getriebene. Was ihr bei der Wahl zum Verhängnis werden könnte.
Schulz also, in der Tür meiner Mühle. Gleich redet er wie im Brüsseler Parlament. So, als sei jeder und jede persönlich gemeint. Alle, ein Herr und eine Frau Maaßen und alle anderen auch. So kann das sonst keiner. Bei Schulz kommen sie alle vor. Die Putzfrau, die Supermarkt-Kassiererin, der Obdachlose an der Straßenecke. Die ganzen SPD-Dissidenten. Die, die weg sind aus der SPD und ihren Einfluss mitgenommen haben. Und die seitdem keiner mehr erreicht. Schon gar nicht Gabriel und Maas und Oppermann und wie sie alle heißen. Im Gespräch mit einer Verkäuferin, im Stadtbus oder im Lottogeschäft haben sie alle keine Chance. Denn eigentlich fürchten sie die, von denen sie gewählt werden wollen.
Dafür nun Schulz, der Bauchmensch. Der Europäer aus Würselen, der Empathiker, der Streetworker, der Lumpensammler. Was ohne Leidenschaft geschieht, ist wertlos, sagt die bedeutende Schriftstellerin Siri Hustvedt. Bei Schulz geschieht nichts ohne Leidenschaft. Das macht ihn so einnehmend, so einzigartig. Und plötzlich sehen sie alle, die Scheuers und Taubers und Göring-Eckardts, so alt aus. So deplatziert, weil man ihnen anmerkt, dass ihnen der Rest der Menschheit eigentlich wurscht ist.
Es könnte spannend werden.
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