Hurra, ich hab eine Unverträglichkeit.

Seit einiger Zeit schon gibt es den Hoffnungsschimmer für Graumäusige und Blassgesichtige: Auch sie können jetzt mehr aus sich machen. Eine Unverträglichkeit, real oder eingebildet, hilft ihnen dabei. Ganz gleich, ob Gluten, Laktose, Fruktose, Weizen oder sonstwas: Die Intoleranz schafft ein mildes Aufsehen. Aus Frau Meier wird Frau Meier mit Laktose-Intoleranz und Herr Müller bekommt einen Ausschlag, sobald er Räucherstäbchen sieht oder riecht. Was früher das "Atomkraft, nein danke" am Auto und dann der Goldknopf im Ohr war, ist jetzt die Allergie: das Unterscheidungsmerkmal. Viele Forscher meinen auch, dass sich damit ein Teil des seuchenhaft um sich greifenden Veganismus erklärt: Ich mach einen Bogen um jedes Tier und jedes Tierprodukt, also unterscheide ich mich, also bin ich wer. Und wenn ihr mich einladet, müsst ihr für mich extra kochen. Dafür erklär ich euch dann, wie scheiße eure Ernährungsgewohnheiten sind.

 

Blöd nur, dass es längst nicht so viele Unverträglichkeiten gibt wie immer behauptet. Aus Studien weiß man längst, dass viele Allergien reines Wunschdenken sind. Sie werden nur der Interessantheit wegen angegeben und getragen wie Modeschmuck. Das Problem dabei ist, dass die Wirkung nach einiger Zeit nachlässt. Dann muss ein neuer Trend her und nach Möglichkeit muss er um einiges krasser sein. Wir schlagen vor: Als ich einmal gefoltert wurde. Oder: Wie ich als Einziger einen Flugzeugabsturz überlebte. Axel Hacke, der Kolumnist, hat schon mal den Weg gewiesen: Die Tage, die ich mit Gott verbrachte.

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Kommentare: 1
  • #1

    Wim Rock (Sonntag, 08 Januar 2017 14:06)

    Grösstenteils stimme ich Ihnen zu. Aber es gibt doch einen ganz ganz grossen Unterschied zwischen "Atomenergie, nein danke" und dem Bedarf an einer interessanten körperlichen Unverträglichkeit"? Nicht jeder wird sich damals genauso bewusst mit Atomenergie auseinandergesetzt haben, aber der Widerstand war damals wie heute doch von einer ganz grossen gesellschaftlichen Relevanz?