Starke Texte wecken eine Sehnsucht.

Wozu noch Zeitung lesen, wo es doch die neuen Medien gibt mit ihrem Endlos-Angebot ? Vielleicht es einfach mal ausprobieren und schauen, was die Laune mehr hebt und die grauen Zellen stärker in Bewegung bringt.

 

Da ist zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung mit ihrer Wochenend-Ausgabe und zwei grandiosen Geschichten. Stefan Ulrich, lange Zeit Italien-Korrespondent des Blattes, hat sich auf die Spuren von Goethes "Italienischer Reise" begeben, vom Gardasee bis ins südlichste Sizilien, und sein Text ist selbst eine reine Lustreise geworden, mit Muscheln und Motorini, einer Weiterentwicklung der Vespa, mit der Sixtinischen Kapelle, der Fontana di Trevi und den Prostituierten Roms, die auch in Goethes Biografie eine wesentliche Rolle spielten. Faustina hieß die Dame und die (sehr sinnlichen) "Römische(n) Elegien" füllt sie fast alleine. "Eine ganz andere Elastizität des Geistes" spüre er, notierte der Weimarer, und das beschränkte sich weiß Gott nicht aufs Geistige. Roberto Zapperi hat ein tolles Buch über Goethes italienische Abenteuer geschrieben: Das Inkognito.

 

Wer Stefan Ulrichs dreiseitige, mit vielen Fotos illustrierte Reportage liest, möchte am liebsten in den nächsten Zug Richtung Rom steigen, die Amalfiküste mit ihren Zitronenhainen vor dem inneren Auge. Mehr kann ein Text nicht leisten.

 

Das gilt auch für Carolin Emckes Stück Zuhören, einer wahren Hymne auf ein Konzert des russischen Pianisten Grigorij Sokolov in der Berliner Philharmonie. Darin weit über 2000 Zuhörer, gebannt vom andächtig-versunkenen Spiel des Interpreten, der eine Zugabe nach der anderen gibt. Stille, Hingabe, Konzentration, Nicht-Wiederholbarkeit: Emckes Text lebt von diesen Begriffen und strahlt selbst eine wunderbare Ruhe aus.

 

Jetzt sind wir wieder im digitalen Geplätscher von Facebook & Co. Sehnsucht nach Sprache, Schönheit, Sinnlichkeit oder dem Zauber Italiens wird da nicht ausgelöst. Irgendwie sind wir doch arme Säue !

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