Ach, diese Nähe, diese entsetzliche Nähe !

Wie, Sie finden das jetzt etwas sehr kuschelig ?! Den Brief und die Anrede und das vertraute Getue ! Wie Guardiola, als er sie alle umarmt und geherzt und geküsst hatte - und dann unvermittelt tschüss sagte. Oder Claudia Roth, die Distanzlose, der nie Nähe gelingt. Und doch, Freunde, die Sache liegt gerade unheimlich im Trend. New York, Rom, Lissabon, Göttingen - überall tun sie es. Hug Prank, meine ich. Das ist, wenn Sie jetzt durch die Breite Gasse gehen und denjenigen/diejenige umarmen, die/der am wenigsten damit rechnet. Womit Sie natürlich ein nachdrückliches, um nicht zu sagen: politisches Zeichen gegen die Kälte unserer Zeit setzen. Gerade auch mit den Flüchtlingen und so. (Übrigens, Hug Prank gabs 1975 schon. Da erschien "Einen Fremden im Postamt umarmen", ein Gedichtband von Roman Ritter. Da kann man mal sehen.)

 

Aber zurück in die Gegenwart. Die Zeit, die andere jetzt, also unser Hamburger Leib-und-Magen-Blatt, hat seit kurzem ein neues Ressort, das heißt Zett. Da findet heute schon mal der Journalismus von morgen statt; und neben vielem anderen, womit man nicht gerechnet hätte, gibts auch einen Liebesbrief an Unbekannt: An eine eben eingewanderte junge Syrerin ("Du tanzt in deine Zukunft"), an den Pizzabäcker unseres Vertrauens, an den Friseur, an eine ehemalige Blockflötenlehrerin ("Ich himmelte dich an"), an Krethi & Plethi. Ob die Autorin ihre Blockflötenlehrerin dann auch besucht hat, wissen wir nicht. In einem Artikel über polnische Putzfrauen, diesmal in unserer nicht weniger geschätzten "Süddeutschen Zeitung", schlug die Journalistin ebendieses vor.

 

Also, liebe Leserin, lieber Leser, Sie sehen: Anderswo geht es viel zwangsintimer zu. Und einen Trost haben Sie ja: Noch nie, aber auch nie ist beim Hug Prank zweimal derselbe umarmt worden. Und Sie haben es jetzt immerhin hinter sich !

Kommentar schreiben

Kommentare: 0